Heiner H . Hoier / works

Selected Writings

nominaler ort
semantik und figur

Im Schatten der Begeisterung verbirgt sich ein diskreditiertes Wort. Es symbolisiert, was sich allem schönen Schein menschlicher Selbsterschaffung, gleichsam schamvoll entzieht.

Eine desperate, semantische Figur. Darin nagt Vorwurf, Scheitern und Resignation . In ihr sammeln sich die vergeblichen Energien, die Sinnproduktionen und Trugbilder - all der enttäuschte Glaube eines dennoch ausgreifenden Willens der keine Ruhe gibt.

Ein Terminus. Ein Name: Vergeblichkeit.

 

Aber Leben ist in Wahrheit nie etwas anderes gewesen als endliche, ruhelose Vergeblichkeit. Auch wenn wir es verdrängen - darin ist alles, was uns in Wirklichkeit bewegt.

Verständlich, dass sie von ihren Gegenkräften klein gehalten werden soll ; sie muss jede depravierende Zuständigkeit verlieren.

 

Wir könnten, wenn überhaupt, Vergeblichkeit nur in Relation einer Wahrheitshypothese überwinden; nur wenn wir glaubten, es wirke soetwas wie ein den Menschen übersteigender, unerschütterlicher Sinn in der Welt - nur dann könnten wir der Vergeblichkeit auf Augenhöhe begegnen. Weil wir darüber aber nichts wissen und gerade deshalb ins Grübeln geraten , werden wir sie nicht los - sie folgt uns wie die Scham ..... ein Schatten.

Es ist eine Art lakonische Melancholie , die das Wort Vergeblichkeit beseelt.

 

(Raymund Chandler z. B. als Privat Eye im rechtsfreien Untergrund finsterster Freiheitsfantasien unterwegs hat dafür die schönsten Sprachfatalismen gefunden...). Hier und nicht nur für die literarischen Scouts des Abseitigen, erblüht die geheime Verehrung die wir, die Verlorenen, ihr immer schon konspirativ darbrachten; ein Surrogat der verstossenen Wahrheit.

 

Ohne Vergeblichkeit erkennten wir nichts, nicht einmal diese unsere letzte Chance.

Die Hervorbringung des „Schönen“, vergeblich! Dieser äusserst seltene Vorschein des Anderen sagt uns nur mehr, wie tief der Stachel sitzt. Dieses bestimmende Element des Vergeblichen im Schönen macht es so schmerzhaft.

 

Auch das ein Entwicklungsstrang der modernen Vergeblichkeit: der mit der Keule drohende Atavist. Ein Motiv - in unterschiedlicher Kontextualität lauert es und ist da, wo immer man es am wenigsten braucht. Wo nix mehr geht, da will es durchgreifen; das vergeblichste aller Sujets der Vergeblichkeit! Gepaart mit dem letzten Rest der Verzweiflung überspringt es jeden Versuch gütlicher Vernunft. Aber warum tut es das? Was ist dem vorausgegangen? Natürlich: Die Erfahrung, dass es nach all der Hoffnung die Mühe nicht lohnt? Vielleicht ein anderes Wort für die Teilnahmslosigkeit der Welt, des Universums - oder dem eigenen, drängenden, unbelehrbaren Willen, der aufbegehrt und doch in ihr untergeht?

Ein exterretorialer, mentaler Ort. Wer sich hier wiederfindet, ist in seinem vermeintlichen Elend, längst zu einem irgendwie glücklichen Menschen geworden. 

Er weiss es nur nicht.

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